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International

Gemeinsam gewinnen

ver.di Flughafen Delegation reist nach Washington D.C.

Im vergangenen Oktober 2015 fand in Washington D.C. die „National Airports Worker Convention“ statt. Mit dabei waren auch internationale Vertreter/-innen aus Schweden, den Niederlanden, Australien und Deutschland. Die Tagung beschäftigte sich in erster Linie mit den Arbeitsbedingungen an US-amerikanischen Flughäfen und mit den Ergebnissen der dortigen Kampagne für bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne, die die Services Employees International Union (SEIU) vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat. Für die Vertreter/-innen der deutschen bundesweiten Kampagne „Damit Fliegen Sicher Bleibt!“ waren es aufregende und spannende drei Tage, mit wertvollen Erfahrungsaustauschen und Einblicken in die Kampagnenarbeit der SEIU. Manch eine/r könnte sich nun fragen, warum Arbeitnehmer/-innen deutscher Flughäfen an einer Tagung zu den Arbeitsbedingungen US-amerikanischer Flughäfen teilnehmen. Der Grund ist so einfach, wie er in der Praxis komplex ist. Hierfür müssen wir ein bisschen in die Vergangenheit schauen. Alles begann 1997, als es im Flugverkehr nach zehnjahrelangem Kampf um die Deregulierung des europäischen Luftverkehrs endlich hieß: „Totaler Wettbewerb in Europa“. Allerdings blieb der erwartete Konkurrenzkampf vorerst aus. Der Grund war schnell gefunden: die angeblich mangelnde Flexibilität am Boden. Zu teuer, zu wenig Auswahl an Anbietern (aus Sicht der Airlines). So liberalisierte man kurzerhand auch noch den Bodenverkehrsdienst, damit auch hier ordentliche Konkurrenz herrscht. Das geschah zum Jahre 2001.

Seitdem haben wir ein munteres Wetteifern von Dienstleistern an Flughäfen, die wiederum getrieben werden vom Wettbewerb der Airlines, die, und hier schließt sich der Kreis, wiederum getrieben werden von ihren Stakeholdern (Aktienbesitzer/-innen), die eine hohe Rendite erwarten und natürlich den lieben Fluggästen, die gerne für 8€ von Brüssel nach Rom fliegen. Um jedoch die Wünsche der beiden Letzteren erfüllen zu können, muss die Dienstleistung „Fliegen“ billiger werden und hier greift dann auch die berühmte „unsichtbare Hand“ des Marktes tief in die Taschen der Arbeitnehmer/-innen. Was so kompliziert klingt, kann jeder von unseren Mitgliedern täglich bei der Arbeit erleben: Unterbesetzung an den Fliegern, Hetzen von einem Flieger zum anderen, ein hoher Stressfaktor, schlechte Ausbildung, mangelnde Sicherheit für Beschäftigte und Passagiere insgesamt und niedrige Bezahlung bei gleichbleibend hohen Gewinnen der Airlines. All das machen unsere US-amerikanischen Kolleg/-innen schon zehn Jahre länger mit als wir und genau da besteht der Zusammenhang zwischen den Kolleg/-innen hier in Deutschland, Europa und den Kolleg/-innen in den USA.

In vieler Hinsicht überschneiden sich die Alltagserfahrungen der Kolleg/-innen. Hier wie dort sind Arbeit und Familie kaum noch zu vereinbaren, allein deshalb schon, weil der eine Job nicht ausreicht um den Lebensbedarf zu decken. In den USA reicht nicht einmal eine Vollzeitbeschäftigung für ein solides Einkommen. Unsere US-amerikanischen Kolleg/-innen haben noch einen entscheidenden Nachteil, nämlich die fehlenden gesetzlichen Grundlagen am Arbeitsplatz selber. Es gibt keine gesetzlich festgeschriebene Mitbestimmung, keinen Kündigungsschutz und kein Arbeitszeitgesetz. Hinzu kommt, dass das gezielte Vorgehen der Arbeitgeberseite gegen Gewerkschaften und ihren Mitgliedern, das sog. Unionbusting, in den USA an der Tagesordnung ist. Es ist keine Seltenheit, dass Beschäftigte wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ihre Arbeit verloren haben. Dass die Arbeitgeber in Europa nicht mehr weit von solchen Strategien entfernt sind haben uns die jüngsten Arbeitskämpfe bei der Deutschen Post bewiesen, bei denen Gewerkschaftsmitglieder gezielt von Arbeitgeberseite drangsaliert wurden. Umso bewundernswerter ist es, wie es die SEIU schafft die Leute an den Flughäfen zu organisieren. Durch Einzelgespräche mit den Mitarbeiter/-innen in den einzelnen Unternehmen und das Anwerben von engagierten Vertrauensleuten hat die SEIU über mehrere Jahre/Monate ein bundesweites Netz von Mitgliedern gesponnen, sodass sich auch ein Bewusstsein für ein gemeinsames Einsetzten für gute und gerechte Arbeitsbedingungen an Flughäfen innerhalb der USA bei den Beschäftigten gebildet hat. Moment – Vertrauensleute, Einzelgespräche, bundesweite Kampagne – da war doch was? Richtig! ver.di setzt sich ebenfalls bundesweit mit der Kampagne „Damit fliegen sicher bleibt“ für gute Arbeitsbedingungen im Bodenverkehrsdienst an deutschen Flughäfen ein! Insofern kann man die Tagung der SEIU als Teil unserer Kampagne verstehen. Schließlich richten sich unsere Forderung auch an die Airlines, ihren gefährlichen Wettbewerb um die niedrigste Regulierung in Sachen Sicherheit und Entlohnung zu beenden und in einen Wettbewerb in das „wer hat die beste Qualität“ einzutreten. Somit ist unsere Kampagne auch eine internationale Kampagne und selbstverständlich müssen wir als ver.di auch auf der Tagung der SEIU vertreten sein. Es bieten sich hier die Möglichkeiten voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen (positive wie negative) und gemeinsam Strategien zu entwickeln.

Links die Kollegen Michael und Hakan, rechts Kollege Murat und in der Mitte Kolleginnen von der SEIU

Hakan Bölükmese Betriebsrat bei Fraport , ver.di –Mitglied und einer der Vertreter auf der Tagung der SEIU hat von den Kolleg/-innen aus den USA auch gleich ein strategisches Mittel mitgenommen. Ein Lösungsansatz den er für besonders gut empfunden habe, sei der Kontakt der ehrenamtlichen Gewerkschaftsmitglieder aus den Betrieben mit den Abgeordneten aus ihrem Bundesstaat, um die Interessen der Arbeitnehmer auch in der Politik zu platzieren. Auch die Strategien des Organizing, die von der SEIU verfolgt werden, haben bei den ver.di Vertreter/-innen sichtlich Gefallen gefunden und wurden von Anfang an in die Kampagne „Damit fliegen sicher beleibt“ mit Erfolg eingewoben. Die Tagung hat sich also gelohnt. “Es war sehr schön, dass wir eine Plattform hatten uns auszutauschen, uns [gegenseitig] Fragen stellen konnten zu unserer Gewerkschaftsabreit und dann gemeinsam für uns ein Fazit daraus ziehen konnten. So haben sowohl die US-amerikanischen, schwedischen, niederländischen und australischen Kollegen von unserer Arbeit was mitnehmen können, als auch wir von ihrer Arbeit“ fasst Hakan Bölükmese treffend zusammen. Darum geht es, bundesweit, europaweit und international Plattformen zu schaffen auf denen wir uns für Arbeitnehmerrechte einsetzten und uns vernetzen können. Transnationale Konzerne interessieren sich nicht für Ländergrenzen und wir Gewerkschaften sollten es auch nicht, ganz im Sinne der Internationalen Solidarität. In diesem Sinne hießen wir auch unsere Freunde aus den USA, Schweden, den Niederlanden und Australien schon herzlich Willkommen, als sie am 10. Mai/11.Mai 2016 bei uns in Frankfurt zu Gast waren.

Am 2. Juni haben wir es dann geschafft, wir haben das erste Mal gemeinsam international gehandelt. An über 30 Flughäfen in Deutschland, den USA, den Niederlanden, Schweden, Korea und Australien haben wir Protestaktionen durchgeführt, um anlässlich der Jahrestagung der internationalen Organisation der Airlines (IATA) zu protestieren.
Denn: die Arbeitgeber sind gut vernetzt. Tun wir es ihnen nach- für existenzsichernde, qualifizierte und sichere Arbeitsbedingungen an allen Flughäfen- weltweit!

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