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Europaweite Studie zu den Arbeitsbedingungen im Bodenverkehrsdienst erschienen

Ergebnis zeigt: Niedrige Löhne und mangelnde Qualifizierung führt zu Personalmangel und hat damit negative Auswirkungen auf die gesamte Luftverkehrsbranche

Die Bodenverkehrsdienste (BVD) sind ein zentraler und sicherheitsrelevanter Teilprozess in der Wertschöpfungskette der Luftwirtschaft. Ehemals in staatlicher Hand und integrativer Bestandteil der deutschen Verkehrsflughäfen ist der heutige Markt der Bodenverkehrsdienste durch die EU-Liberalisierung und Deregulierung in weiten Teilen privatisiert (so genannte Dritt-Anbieter) oder wird durch ausgegründete Töchter der nach wie vor mehrheitlich staatlichen Flughäfen abgedeckt. Die Leistungen der Bodenverkehrsdienste müssen laut EU-Richtlinie 96/67/EG alle sieben Jahre ausgeschrieben werden. Die Personalkosten liegen in den Bodenverkehrsdiensten bei bis zu 75% der Gesamtkosten. Einmal zugelassen, konkurrieren die Anbieter fortlaufend um Abfertigungsverträge mit den Fluggesellschaften, was zu einem Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Sozial- und Ausbildungsstandards geführt hat. Alarmierendes Ergebnis dieses von den Fluggesellschaften angetriebenen Preisdrucks ist vielerorts mangelnde Existenzsicherung, unzureichender Gesundheitsschutz und mangelnde Qualifikation was ver.di mittels einer 2015 durchgeführten aktivierenden bundesweiten Umfrage nachweisen konnte. Siehe hierzu https://verdi-airport.de/?p=465.
Nicht zuletzt deshalb verfolgt ver.di seit 2015 in der Initiative „Damit Fliegen sicher bleibt“ das Ziel eines bundesweiten, allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrages.

Ziele und Auftraggeber der Studie:

Ziel der Studie ist es, eine Bestandaufnahme zu den sozialen und qualitativen Folgen der EU-Verordnung zu erstellen sowie die argumentative Grundlage für eine eventuelle Anpassung besagter Verordnung durch die Europäische Kommission zu schaffen. Finanziert durch die Europäische Kommission wurde die Studie im Auftrag der europäischen Sozialpartner im Bodenverkehrsdienst (BVD) vom sozialwissenschaftlichen Institut Syndex durchgeführt.

Hauptergebnisse der Studie:

Marktzugang: Die EU-weite Marktöffnung verursachte einen massiven Druck sowohl auf die BVD-Unternehmen als auch auf die Beschäftigten. Immer engere Margen führen nach wie vor zu sozialen und operativen Problemen. Die Studie hat hierbei außerdem Gesetzeslücken hinsichtlich der Lizenzvergabe identifiziert. So deckt die EU-Verordnung nicht alle durch die Marktöffnung verursachten Herausforderungen ab. Insbesondere die Genehmigung und die Kontrolle der Untervergabe (subcontracting) variiert erheblich zwischen den EU-Mitgliedsländern und Flughäfen. Das subcontracting unterhöhlt systematisch die Marktzugangsbeschränkungen, welche den nationalen Regierungen teilweise zugestanden werden.

Sozialstandards
Die Ausgestaltung der Sozialstandards wird EU-weit in erster Linie den Sozialpartnern durch den Abschluss von Tarifverträgen überlassen. Leider fehlen in vielen Ländern – so auch in Deutschland – Regelungen zum Schutz der sozialen Standards beim Personal- und Betriebsübergang bei Lizenz- und Personalwechsel. Dies verstärkt die sozialen Ungleichheiten zwischen Beschäftigen und verzerrt die Wettbewerbsbedingungen.

Grundsätzlich stellen die Autoren fest:

“Niedrige Löhne und fehlende Aus- und Weiterbildung führen zu Problemen bei der Personalbeschaffung und Absentismus. Dies hat negative Auswirkungen auf alle Marktteilnehmer innerhalb der Wertschöpfungskette.”

Aus- und Weiterbildung sowie Qualitätsstandards:
Um das operative Geschäft sicher abwickeln zu können, sind Qualitätsstandards notwendig. Hier zeigt die Studie, dass eine starke Uneinheitlichkeit der Qualitätsstandards von Seiten verschiedener nationaler, europäischer und internationaler Marktteilnehmer zu verzeichnen ist. Der steigende Markt- und Preisdruck kann Aus- und Weiterbildung in hohem Maße beeinflussen. In einem personalintensiven Geschäft wie dem Bodenverkehrsdienst können hohe Qualifikations- und Ausbildungsstandards den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmenden mit negativen operativen und sicherheitsrelevanten Auswirkungen in hohem Maße verzerren.
Die oben besagten Sozialpartner der Studie äußern sich im Vorwort positiv zur kürzlich erfolgen Hereinnahme der Bodenverkehrsdienste in die Regelungsbefugnis der EASA (European Aviation Safety Agency – Europäische Agentur für Luftsicherheit). Sie sprechen sich in diesem Zusammenhang für eine verbesserte Harmonisierung der Sicherheitsbestimmungen sowie für Mindeststandards bei der Aus- und Weiterbildung der Bodenverkehrsdienste aus.

Die Studie in Englischer Sprache:
Brochure_Ground_handling_single_pages.pdf
(5,59 MB)

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